Michael Essl
Deutschlandstipendiat seit 2017
Michael Essl wurde 1991 als Sohn des Organisten Jürgen Essl und der Pianistin Sabine Sauer-Essl in Stuttgart geboren. Er studierte ab 2011 zunächst Jazz-Klavier an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart bei Prof. Hubert Nuss. 2014 erhielt er ein Stipendium für das Berklee College of Music in Boston, wo er seine Ausbildung bei Francesca Tanksley und Laszlo Gardony fortsetzte und gleichzeitig anfing, Komposition bei Andrew List zu studieren. Seit 2016 setzt er sein Kompositionsstudium bei Prof. Hanspeter Kyburz an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin fort. Außerdem nahm er an einigen Meisterkursen teil und hatte Kompositionsunterricht, u. a. bei Jukka Tiensuu, Jan Jirasek, Ofer Ben-Amots, Tomi Räisänen und Rainer Tempel.
Für seine Werke wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit ersten Preisen bei internationalen Kompositionswettbewerben wie der Alba Rosa Viëtor Competition und dem Joseph-Dorfman-Wettbewerb. Seine Stücke wurden in Deutschland, den USA, Finnland, Belgien, Italien, Spanien und den Niederlanden von professionellen Musiker*innen und Ensembles aufgeführt, u. a. von Echo-Preisträger Christian Segmehl, vom Avanti! Chamber Orchestra, von Wolfgang Zerer, vom Freiburger Kammerchor und vom Orchester der Komischen Oper Berlin. Außerdem sind bereits mehrere seiner Werke auf CD erschienen.
Warum haben Sie sich entschieden, an der HfM Komposition zu studieren?
Vor meinem Kompositionsstudium habe ich ein Studium in Jazz-Klavier an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart absolviert. Aber eigentlich wollte ich schon immer Musik schreiben und der Wunsch hat sich in dieser Zeit noch verstärkt. Nachdem ich mein erstes Studium abgeschlossen hatte, habe ich mich also an verschiedenen Hochschulen für Komposition beworben. Bei der HfM hat mich zum einen die Stadt gereizt, weil Berlin wahrscheinlich musikalisch der interessanteste Ort in Deutschland ist. Zum anderen hat mir die Aufnahmeprüfung an der HfM am besten gefallen. Die bestand aus einer Art Interviewsituation mit vielen Lehrenden in einem Raum, die alles auf einmal geprüft haben, also z. B. auch Gehörbildung und Klavier, um sich so einen Gesamteindruck von mir verschaffen zu können. An den anderen Hochschulen war die Aufnahmeprüfung in viele kleine Prüfungen bei unterschiedlichen Lehrenden aufgeteilt. Außerdem haben mir die kritischen Fragen gefallen, die mir mein jetziger Lehrer Prof. Hanspeter Kyburz über meine Stücke gestellt hat. Nach der Aufnahmeprüfung habe ich ihn noch einmal angerufen und habe mir vieles über die Hochschule und den Unterricht bei ihm erklären lassen. Das hat mich überzeugt, hier zu studieren.
Wie beginnen Sie die Arbeit an einem Kompositionsauftrag?
Ich versuche eigentlich, nicht jedes Mal das gleiche Muster zu verwenden, weil das natürlich auch zu ähnlichen Resultaten führt. Was sich aber seit einiger Zeit immer mehr etabliert, ist, dass ich mir sehr viel Zeit für Skizzen und für Überlegungen nehme, die erst einmal nichts mit konkreter Musik zu tun haben. Ich denke also viel darüber nach, worüber ich das Stück schreiben könnte und mit welchen Gestaltungsmitteln ich das erreichen kann. Und natürlich überlege ich jedes Mal: Was würde mich reizen, was habe ich noch nie probiert? Woran kann ich momentan etwas lernen, weil es für mich neu ist?
Stücke, die mir zu dem Zeitpunkt gefallen, spielen dabei zum Teil auch eine Rolle. Sie bekommen oft eine gewisse Vorbildfunktion, von der ich mich dann aber auch wieder distanzieren muss. Ich versuche nicht, jemanden zu kopieren, sondern zu verstehen, wie diese oder jener Komponist*in etwas gemacht hat, um dann zu sehen, was davon für mich interessant ist und wo ich lieber einen anderen Weg gehen will.
Jedenfalls nehme ich mir für diese Konzeptionsphase und die Recherche am Anfang viel Zeit und mache oft graphische Skizzen oder notiere meine Überlegungen in Textform, bevor ich dann später die ersten Noten auf das Papier setze.
Haben Sie Vorbilder?
Die Vorbilder ändern sich ständig, je nachdem, was ich schreiben will. Mir fallen dazu meist Referenzstücke von verschiedenen Komponist*innen ein. Es kann z. B. ein Stück von Beethoven interessant sein, eins von Boulez, oder auch Elemente aus verschiedenen Arten von Volksmusik. Da kommen alle möglichen Einflüsse zusammen und das ändert sich auch ständig. Ich versuche nicht, einem bestimmten Vorbild für längere Zeit nachzueifern.
Sie waren mehrere Jahre Mitglied im pädagogischen Projekt „JUPS“ (Jazz und Pop für Schüler). Was haben Sie dort genau gemacht? Worum ging es?
„JUPS“ war ein Projekt in Kooperation mit der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart, wo ich vorher Jazz-Klavier studiert habe. Im Rahmen dieses Projektes habe ich als Mitglied einer Band zusammen mit einem Musikdozenten Schulen aller Art besucht, um dort eine Art musikalische Zeitreise durch die Geschichte der Jazz- und Popmusik zu gestalten. Wir haben den Schüler*innen Stücke aus verschiedenen Stilen und Herkunftsländern vorgespielt, z. B. von Duke Ellington oder von den Beatles. Dazu haben wir etwas über unser Instrument erzählt und darüber berichtet, wie der jeweilige Stil entstanden ist und was ihn musikalisch ausmacht. Es war also Konzert und Unterricht zugleich für die Schüler*innen.
Wobei hilft Ihnen das Deutschlandstipendium konkret?
Es hilft mir dabei, mich aufs Studium zu konzentrieren. Natürlich hat man als Student*in Kosten für den Lebensunterhalt und muss sich überlegen, wie man das Geld verdient, um sich zu finanzieren. Je weniger Zeit man mit Nebenjobs verbringen muss, desto mehr Zeit hat man zum Studieren. Das ist der einfache Grund, warum ich mich für das Deutschlandstipendium beworben habe. Durch die Unterstützung kann ich mehr Zeit in meine Kompositionen investieren und bin flexibler in der Wahl meiner Kurse.
(Stand: September 2018)